Wissenschaftlich-praktisches Seminar über Fragen der Erhaltung und Erneuerung
 von historischer Erinnerung und des spirituell-kulturellen Erbes der Juden in Polen und der Ukraine

Czernowitz, 13. Juli 2010

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Am 13. Juli 2010 wurde das wissenschaftlich-praktische Seminar „Das Vergessene Erinnern: Juden in Polen und der Ukraine“ durch das Museum für jüdischer Geschichte und Kultur der Bukowina veranstaltet. Ziel des Seminars war die Diskussion von Fragen der Erhaltung und Erneuerung der historischen Erinnerung sowie des religiös-kulturellen Erbes der Juden in Polen und der Ukraine. Es wurde im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Museum und Partnerinstitutionen in Warschau veranstaltet. Die Versammlung diente der gemeinsamen Verwirklichung des internationalen Projektes „Diskurs der internen und externen Erinnerung der chassidischen Kultur in der Bukowina“. Experten für Forschungsfragen, die das jüdische kulturelle Erbe betreffen, Wissenschaftler, wichtige Personen des öffentlichen Lebens, sowie Repräsentanten lokaler jüdischer Organisationen und andere interessierte Personen nahmen an dem Seminar teil.

Das Seminar begann mit dem Block „Mittel und Wege der Erneuerung der Erinnerung an die jüdische Vergangenheit.“ Dabei präsentierten zunächst polnische Teilnehmerzwei Projekte, die die jüdische Vergangenheit betreffen: Eines davon wurde bereits in den vergangenen Jahren abgeschlossen und das andere befindet sich gerade in der Durchführungsphase. Die polnische Forscherin Anna Chialovich sprach über die Erstellung des Internet-Portals  „Mein jüdisches Warschau“, und führte es den Gästen vor. Ziel des Internet-Portals ist die virtuelle Wiederherstellung und Visualisierung des alten Warschaus, welches durch die verschiedenen historischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts verschwunden ist, des alten Warschaus, über das seine heutigen Bewohner nicht sehr viel wissen. Das andere Projekt, das von den polnischen Teilnehmern durchgeführt wurde, hatte ein ähnliches Ziel. Das praktische Ergebnis dieses Projekts ist die Ausstellung „Mokum“, die uns das Vorkriegs-Warschau zeigt, besonders in Bezug auf das Leben und der Arbeit der chassidischen Tzadiks (Rabbis).

Weiterhin präsentierte der polnische Forscher Yuzef Markievich das Projekt “Transnistrien“, welches das Ziel hatte, die Erinnerung an die Juden und Roma in Zusammenhang mit deren Tragödie in der Ukraine während des Zweiten Weltkriegs zu erforschen. 

Piotr Pazhin’ski, der Chefredakteur der Warschauer Zeitschrift „Midrasch“, widmete seinen Bericht den Ergebnissen seiner historisch-biographischen Forschung über das literarische Erbe von Schmuel Yosef Agnon (Schmuel Czaczakes), der im galizischen Buczacz in der  Ukraine geboren wurde und 1966 den Literatur-Nobelpreis erhielt.

Zum Abschluss des ersten Teils des Seminars sprach Natalja Schewtschenko, Repräsentantin von Czernowitz und Spezialistin für Museumsarbeit, über die Gründung des Jüdischen Museums in Czernowitz und über seine Aufgabe, das jüdische religiös-kulturelle Erbe zu erhalten und zu vermittleln.

Der zweite Teil des Seminars war Fragen der Erhaltung von jüdischen Baudenkmälern gewidmet. Eröffnet wurde er durch einen aufschlussreichen Vortrag über den Zustand jüdischer Baudenkmäler in der Ukraine, gehalten von Joseph Sissels, Initiator der Gründung des Czernowitzer Jüdischen Museums, Vorsitzender des Verbandes Jüdischer Organisationen und Gemeinden (VAAD) der Ukraine, berühmter Menschenrechtsaktivist und aktive Person des öffentlichen Lebens. Er betonte den schrecklichen Zustand der ehemaligen jüdischen Kultobjekte in der Ukraine, die größtenteils   einzigartig sind. Joseph Zissels erwähnte auch, dass es der Regierung an Interesse dafür mangelt, diese Objekte zu erhalten und dafür zu nutzen, ein international attraktives kulturelles Bild von der Ukraine zu schaffen.

Monika Krawczyk, die Generaldirektorin der Stiftung für die Erhaltung des jüdischen Erbes in Polen, erzählte den Seminarteilnehmern von der entsprechenden Situation in Polen. Nach ihren Worten können wir sagen, dass es um die Erhaltung und Restaurierung der jüdischen Monumente auch bei unseren Nachbarn nicht sehr gut steht. Allerdings sind die Aussichten in Polen durch den Zugang zu Mitteln der Europäischen Union vielversprechender.

Olena Puschkova, Vorsitzende der Abteilung für die Erhaltung des Kulturerbes der Stadtverwaltung, hielt einen Vortrag über die Erhaltung und Restaurierung der jüdischen Baudenkmäler in Czernowitz. Ihrer Meinung nach wird die Situation nicht nur durch den Mangel an finanzieller Unterstützung bestimmt, sondern auch durch geologische Prozesse im unteren Teil der Stadt. Beispielsweise zeigte der letzte Erdrutsch in einem Teil der Barbjusa-Straße, dass die Gefahr weiterer Erdrutsche im gesamten früheren sog. Judenviertel besteht. 

Swjatoslaw Pomerantzew, Unternehmer und Präsident des Festivals „Meridian Czernowitz“, informierte die Seminarteilnehmer über den Verlauf der Restauration des Gebäudes der ehemaligen Residenz der chassidischen Zaddikim aus der Fridman-Dynastie in Sadagura.

Zum Abschluss des Seminars lenkte Mykola Kuschnir, Direktor des Czernowitzer Museums für jüdische Geschichte und Kultur der Bukowina, die Aufmerksamkeit der Teilnehmer auf das Problem der Erhaltung einzigartiger Wandmalereien in der ehemaligen jüdischen Synagoge in Nowotzelytza. Diese Wandmalereien wurden vor einigen Jahren zufällig unter dem Putz entdeckt und befinden sich aufgrund des vernachlässigten Zustands des Gebäudes in Gefahr, völlig zerstört zu werden.

Insgesamt wurden viele interessante Ideen in Bezug auf die Thematik geäußert und es wurden neue Wege der Kooperation zwischen interessierten Individuen und Institutionen in Czernowitz und Warschau geplant. Das praktische Ergebnis des Seminars war die Entscheidung, die von den polnischen Kollegen vorgestellte Ausstellung „Mokum“ in der Stadt am Pruth zu zeigen.